Autobiografische Erinnerungskaskaden eine Bahnstrecke entlang
Eine Produktion von Eros Kadaver Film, Das Märchen der Musik op. 57, 2021 / Österreich 2021, 93 min
Abendmoderation: Konstantin Milena Vlasich
Buch, Regie, Schnitt: Peter Wagner
Musik: Rainer Paul und Peter Wagner
Kamera: Philipp Krebs
Ton: Max Leimstättner
Assistenz: Dominik Hofstätter
SprecherInnen: Gregor Seberg, Gerhard Lehner, Nadine Zeintl, Oliver Vollmann, Martin Weinek
Als der Autor und Regisseur Peter Wagner am 27. September 2020 aufbrach, um die einstige Bahnstrecke zwischen Oberwart und Oberschützen zu Fuß zurückzulegen, ahnte er nicht, wie tief ihn dieser Gang in die eigene Biographie hineinziehen sollte. Im Grunde wollte er nichts weiter, als sich der Unabdingbarkeit der Natur und ihrer Kontingenz hinzugeben: Die Gleise dieses historischen Relikts waren längst überwuchert von Gebüsch, Bäumen und Gräsern aller Art – und ließen so ein Gefühl für die Vergänglichkeit des einst mit so viel Ehrgeiz Begonnen zu. Begleiten sollte ihn auf diesem Gang nichts als eine Kamera in den Lüften und eine zu ebenen Erde.
Doch je weiter er sich durch das Dickicht kämpfte, desto stärker warfen sich Erinnerungen auf, die ihn direkt in seine Kindheit und Jugend im Südburgenland hievten. Doch nicht nur das: Bald war auch klar, dass es nicht nur mit dem Gang in die eine Richtung nach Oberschützen getan sein konnte. Es musste auch der in die andere Richtung folgen, nämlich jener nach Rechnitz. Und so hatte sein Film plötzlich zwei Destinationen, und das nicht nur in geografischer Hinsicht, sondern auch in inhaltlicher und ästhetischer.
Ausgangspunkt sowohl in die nördliche Richtung als auch in die südliche ist Oberwart. Das Bildmaterial alter VHS-Cassetten, teilweise von kaum noch brauchbarer optischer und akustischer Qualität, erkämpfte sich plötzlich wieder neues Leben. Da ist beispielsweise die Aufzeichnung einer unbekannten Filmerin, die im Jahr 1980 eine Aktion der Gruppe Oawaschlschluifer festhielt, als man auf dem Rasen vor dem Kriegerdenkmal ein sog. „Zigeunerdenkmal“ errichtete. Zu sehen sind neben dem jungen Peter Wagner mit einigen Aktivisten und Schaulustigen auch KZ-Überlebende aus der Roma-Siedlung in Oberwart. Die Denkmalattrappe sollte an das KZ-Schicksal der Roma erinnern und wurde bereits in der ersten Nacht von Unbekannt mit weißer Lackfarbe übergossen.
Dieses Video wird Auftakt zu einer Zeitreise, die auf wenigen Dutzend Kilometern einer aufgelassenen Bahnstrecke eine ganz andere Geschichte des (Süd)Burgenlandes über das letzte halbe Jahrhundert hinweg erzählt. Namen wie Oberschützen mit dem nach wie vor vorhandenen Anschlussdenkmal, Oberwart mit dem Attentat von 1995 und Rechnitz mit dem Massenmord an ungarischen Juden 1945 stehen nicht nur symptomatisch für das so lange Verdrängte in der neueren Geschichte dieses Grenzlandes, sondern auch für einen möglichen Paradigmenwechsel nachfolgender Generationen, auch wenn dieser noch lange nicht ausgemacht ist.
Mit all dem hat sich Peter Wagner in seiner schriftstellerischen Arbeit und als Regisseur über mittlerweile fast fünf Jahrzehnte hinweg auseinandergesetzt. Der Film fasst einiges davon zusammen, entwickelt aber darüber hinaus einen eigenwilligen filmischen Erzählungsansatz zur Schilderung eines Landes, das jenseits seiner sonnigen Werbebilder und des soeben begangenen hochrunden Jubiläums auch etliche problematische Neigungen aufzubieten hat.
Als Erzähler aus dem Off gestattet sich Gregor Seberg ein Wiedersehen mit dem Südburgenland: Er hatte bereits 1997 in der OHO- und Theater m.b.H.-Produktion „Oberwart. Mon amour“ von Peter Wagner als Hauptdarsteller mitgewirkt.
Eintritt: € 7,50
Tickets und Reservierungen: https://bit.ly/39AQOfX
Hinweis:
Plätze für die Vorstellung können erst einen Tag vor der Vorstellung reservieren werden. Wenn die Vorstellung nicht ausverkauft ist, dann können Tickets auch an der Abendkassa gekauft werden.